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Ifo-Chef Clemens Fuest (Mitte) zusammen mit IHK-Präsident Andreas Rother (re.) und Hauptgeschäftsführer Jörg Nolte.
Ifo-Präsident Prof. Clemens Fuest: Energiemenge erhöhen statt Preise deckeln
An der als „Doppel-Wumms“ bekannt gewordenen 200 Milliarden-Euro-Energiepreis-Bremse ließ Ifo-Präsident Clemens Fuest kein gutes Haar. In einer Gemeinschaftsveranstaltung von IHK Arnsberg, Wirtschaftsjunioren und Industrie- und Handelsclub zur „Zeitenwende auf den Energiemärkten“ am 29. September sprach sich der renommierte Wirtschaftsforscher klar für ein marktwirtschaftlich-konformes Vorgehen aus.
Obwohl die mit rund 130 Gästen besuchte Veranstaltung von langer Hand geplant wurde, war sie eine terminliche Punktlandung . Erst wenige Stunden vor dem Auftritt des in Geseke aufgewachsenen Ökonomen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Energiepreis-Abwehrschirm angekündigt. Für Fuest – der als Mitglied einer Expertenkommission zwischenzeitlich an der Ausgestaltung mitgewirkt hat – ein größtenteils falscher Grundansatz. Er nutzte die sich bietende Gelegenheit, die Kritik an Politik und Wirtschaft zu adressieren: „Der hohe Preis ist Folge der Knappheit. Wir haben in erster Linie ein Mengenproblem bei Strom und Gas und deshalb ist es unerklärlich, warum beim Strom nicht alle auf der Erzeugungsseite bestehenden Kapazitäten gehoben werden“. Fuest meint damit vor allem den Weiterbetrieb der Atom- und Kohlekraftwerke. Dadurch könne auf Gaskraftwerke verzichtet und so auch der Gasmarkt entlastet werden. „Das hat dann auch hier preisentlastende Wirkung“.
Die Deckelung des Energiepreises durch staatliche Subventionen und Preiseingriffe könne zwar sozialpolitisch sinnvoll sein, setze aber völlig falsche Signale: „Dadurch wird das Angebot nicht erhöht und es senkt sogar den Anreiz zu sparen“, folgerte Fuest und schlug stattdessen vor, sozial schwache Haushalte und kleinere und mittlere Unternehmen durch Zuschüsse zu entlasten. Die Gasspeicher seien zwar Ende September gut gefüllt, reichten aber letztlich nur für rund 2 Monate aus. Preis-Subventionen hingegen, die die Nachfrage im Zweifel sogar stimulierten, änderten nichts an den vorhandenen Gasvolumina und trieben am Ende nur den Preis wieder in die Höhe. Fuest. „Die 200 Mrd. Euro können wir dann gleich Norwegen oder Russland überweisen, dann spart man wenigstens den administrativen Aufwand“.
Mit Blick auf die deutsche Energiewende sprach sich der Ökonom für eine schnelle Dekarbonisierung aus, warnte aber gleichzeitig davor, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun: „Wir sollten die bestehende Energieversorgung nicht erst abbauen und dann eine neue regenerative Versorgung aufbauen, sondern umgekehrt“. Sonst setze man sich selbst schachmatt, prognostizierte er. „Wir sollten auch ernsthaft über Fracking nachdenken, anstatt gefracktes Gas zu importieren“. In Niedersachsen gebe es Fracking-Vorräte für 14 Jahre, „mit denen könnten wir die komplette Energiewende selbst schaffen“, so Fuest.
Die Dramatik einer Gasmangellage kam in der anschließenden Diskussion zur Sprache. Eine Rationierung bei produzierenden Unternehmen habe zur Folge, „dass dann viele Betriebe flach liegen“, so IHC-Mitglied Dr. Michael Schulte Strathaus. Über die Lieferketten seien dann auch solche Unternehmen massiv betroffen, die selbst wenig Energie benötigen. „Wir müssen alles tun, um die hohen Energiepreise auf Dauer wieder an ein Normalniveau heranzuführen“, folgerte IHK-Hauptgeschäftsführer Jörg Nolte zum Abschluss der Runde. Anderenfalls drohe der Industriestandort Südwestfalen dauerhaft Schaden zu nehmen.